September 28, 2010

À FLEUR DE PEAU

Textfragmente zur Porträtserie «Rules of Engagement»

von Joerg Reichardt, Fotograf.

TEIL 2

*

Nehmt was ihr braucht,

ein Gesicht ist immer ein Angebot.

Offerte.

Pickt euch heraus was ihr wollt,

Rosinenpicker! es geht doch eh nur um euch.

Sucht im Andren euer Ich, damit es bloß zum Du nicht kommt.

Ich ist immer die sichere Seite, bestimmt!

Hast du jemals versucht mich wirklich zu sehen?

Ist dir nicht langweilig vor lauter Ich?



*

Ich.

Ich. Ich. Ich.

Du Ichblinder.



*

Parfois, je me confonds avec le monde.



*

Wunschzettel ans Ich :

* Kein Wunschzettel.

* Ich will niemanden brauchen.

* Mich an keinen abgeben.

* Meine Egoismen nicht an dir austoben,

du sollst nicht Spielball meiner Ängste sein.

* Mein Ich-leben verteidigen, gegen mich.

* Fröhlich sein.

Machst du mit?



*

La vie commence maintenant. Et maintenant.



*

Einmal Vergessen bitte.

Sonst noch einen Wunsch ?

Nein danke, das war‘s.



*

Du hast mich zwischen den Fertigen warten lassen.

Ich dachte du würdest nicht kommen, zu unserem Abschied.

Da dein Gesicht inmitten der Anderen.

Ich sehe dich und kann nicht mehr atmen.

Ich kann nicht mehr atmen, verstehst du?

Alles zieht sich zusammen so sehr muss ich dich.

Laufe neben dir und spreche nicht, denke nicht, atme nicht,

meine Vorsätze bleiben irgendwo hinter mir zurück.

Nach etlichen Tränenschüben

Und einem Gespräch, das nicht geführt wurde

Verlassen wir uns unter Küssen und zum letzten Mal.



*

Komm, inneres Kind, nimm meine Hand.

Wir werden jetzt erwachsen,

zusammen.



*

Would you like to fly to the moon with me?

No.


KONSTANZE SEIFERT

September 21, 2010

Wenn die Farbe zu sich kommt. —

Zur Malerei von Gilbert Pink.

Gilbert Pinks künstlerische Auseinandersetzung ist ganz dem Thema Farbe gewidmet. Seit Beginn seines Künstlerdaseins erforscht er diesen Bereich mit Hingabe und Konsequenz. Um die Farbe in ihrer ursprünglichsten und klarsten Form zu berühren, arbeitet Pink nahezu ausschließlich mit Pigmenten. Übervoll ist sein Atelier mit Gläsern, Schachteln, Behältern, in denen er Farbpigmente aller nur erdenklichen Töne aufbewahrt und die ihn, sofern er davon spricht, sie zeigt, in helle Begeisterung, in Bewunderung für das Medium versetzen: „Es gibt den Punkt, da kann ein Gelb, egal wie viele Pigmente man noch hinzufügen mag, nicht gelber werden. Dann ist Schluss, und man hält das Gelb in seiner Reinform, in seiner extremsten Ausprägung in den Händen.“, so Pink. Solchen Grenz- und Eigenwert, den Farbe an sich darstellt, versucht er in seiner Malerei beständig auszuloten. Das zu tun, lässt er die Farbe ganz bei sich, lässt für sich allein sie sprechen. Nie zwängt er sie in eine bestimmte Form, etwa der Art „roter Kreis auf blauem Grund“, denn solches Vorgehen lenkte die Konzentration nur ab von der Betrachtung des Eigentlichen. „Farbe, so Pink, braucht keine Form, um wirken zu können.“ Darum verweigern sich seine Bilder der Figürlichkeit. Lassen die Farbe stattdessen frei; geben ihr den Raum, den sich zu entfalten sie braucht. In diesem Sinne auch bleibt auf Pinks Leinwänden oder Papieren oftmals ein Teil der Fläche unbearbeitet, bleibt leer und Untergrund, vor dem sich – meist vom Bildrand in Richtung Zentrum – die Farbe ihrer jeweiligen Art und Konsistenz gemäß ausbreiten darf.

Nicht nur die Farbe als Einzelne interessiert Pink. Seine Malerei spürt der Wirkung, die im Verbund sie entfaltet, nach, und erkundet zudem die Wandelbarkeit, die die reine Farbe in Kombination mit anderen Farben erfährt: Wann verliert eine Farbe, und wann gewinnt sie an Aussage und Kraft neben einer anderen hinzu? Welche Umgebung ist ihr in ihrer Wirkung zuträglich, in welcher Kombination erleidet sie Schaden? Auf Harmonie und Konflikt setzt Pink hierbei gleichermaßen; favorisiert ein weiches Miteinander nicht weniger, denn den scharfen Kontrast. Antworten, die sich aus derartigen Fragestellungen ergeben, erschließt Pink sich intuitiv und über das reine Machen. Die analytische, intellektualisierende Herangehensweise schließt er für sein Arbeiten aus. Folglich muss seine Malerei als spontanes Reagieren auf die sich im Malprozess jeweils ergebende Situation verstanden werden. Daher auch die Wichtigkeit des je einzelnen, meist großflächig aufgetragenen Pinselstrichs: Einmal ausgeführt, ist er nicht mehr rückgängig zu machen. Nicht mehr kann an ihm rumgefeilt oder verbessert werden, denn das verdeckte nur seine eigentliche Natur. Malerei so verstanden wird zum Akt. Wir Geste und spontane Äußerung. Solches Vorgehen verleiht ihr einen unmittelbar präsentischen Charakter, bei dem der einzelne Pinselstrich die Zeugenschaft für das Jetzt übernimmt. So gesehen, ist er immer ehrlich. Ist immer ungeschönt und fassadenlos dem Scheitern ausgesetzt. — Oder dem Gewinn! Der stellt sich ein, wo die Komposition in Farbwahl, Rhythmik und Dynamik nicht mehr und nicht weniger denn stimmig ist.

KONSTANZE SEIFERT.

September 18, 2010

À FLEUR DE PEAU.

Textfragmente zur Porträtserie «Rules of Engagement»

von Joerg Reichardt, Fotograf.


http://www.joergreichardt.de/

http://www.ggaadd.com/log/archives/category/01-portraiture


*

Weißt du noch unseren Anfang? Da habe ich mich dir mit meiner ganzen Kraft in die Arme geschmissen. Aufrecht, ungestüm, unbedingt und mit voller Wucht sind wir ineinander gestürzt.

Nichts zurück behalten, alles war Angebot, was zählte war unser Spiel. Ich habe alles gesetzt und verloren. Dich. Und mich dazu.



*

Du brichst ein, brichst immer wieder in mein Leben ein.

Einbrecher!

Lässt meine Ruhe mitgehen, mich im Chaos zurück.


*

Dann genieß mich doch einfach.



*

T’as oublié mon anniversaire, tu sais?

Non, je n’ai pas oublié. Je ne savais pas trop quoi faire. J’espère que c’était une bonne journée.



*

heute verstehen bitte :

Endgültig. Endgültig. Endgültig.

Endgültig !

Für immer.

Niemals wieder!



*

Verletzlichkeiten verdrängen die Kraft. Vorsichtigkeiten zügeln den Mut. Empfindlichkeiten deckeln die Lust.

Es kommt der Punkt, da verdient die Liebe ihren Namen nicht mehr. Was bleibt sind Vernünftigkeiten.

Ruhig alles langsam angehen!

Bloß nicht zu viel investieren!

Pass auf dich auf!

Was bleibt sind Rationalitäten, sie sind die Rüstung der Verletzten.

Irgendwann wird selbst die Liebe fahl.



*

Komm! wir erobern jetzt die Welt.



*

Und wovor hast du Angst?

Vor den Schritten nach vorn, vor den Schritten auf dich zu. Weil sie könnten dir ja zeigen, du bedeutest mir was. Jeder Schritt auf dich zu lässt mich meine Kleider verlieren, meinen Schutz. Jeder Schritt auf dich zu, einer weg von mir, denke ich, fühlt es sich.

Angst dir zu zeigen du bedeutest mir was, und warum?

Weil ich dann schwach aussehe. Weil du dann siehst, ich brauche wen. Weil du dann siehst, ich bin nicht stark. Weil ich dann in deinen Händen liege, mich nicht mehr verteidigen kann, sondern offen und blank nicht mehr zurück kann von dir, nicht mehr weg kann von dir, sondern dir und deinen Launen, deiner Gunst jetzt AUSGELIEFERT bin.

Will nicht mehr als bei dir bleiben. Nicht mehr mit meinem Schweigen sein.

Aber es geht nicht, er kommt nicht über die Lippen. Der simple, so banale Satz wird konsequent und eiskalt von meiner Stille verschluckt, weil ich bringe es nicht über mich dir zu gestehen:

Meinen Tag, meinen strengen Ich-Tag, den will ich heut am Liebsten An den Nagel hängen. Will aus dem Ich-Tag heut einen Du-Tag mit Dir machen, eben bei dir sein.

Kann dir dieses Einfache nicht sagen. Du weißt nichts davon.

Stattdessen gehe ich, überlasse dir von mir nicht mehr, denn mein Schweigen. Nehme meine Sachen, mein Gesicht, meine Haltung, mein Bild und gehe.

Ich gehe, weil ich denke ich muss gehen. Ich gehe, weil ich denke dein Bild von mir verlangt es so. Ich gehe, weil ich denke mein Bild von dir verlangt es so. Ich gehe, weil ich denke mein Bild von mir verlangt es so.

Also gehe ich. Gehe gegen mich an. Laufe meinem Verlagen zuwider. Renne mich in mir irre, wund und roh. Dabei bohrt sich die Maske, die ich meine dir vorhalten zu müssen blutig und mit Stacheln in mein Gesichtsfleisch hinein.

Du weißt nichts davon.

Weil ich bin still, obwohl ich dir ins Gesicht schreien müsste

mit dir TEILEN!

Stattdessen gehe ich. Lasse dich.

Du bist verwirrt aber gefasst, denn du musst mich ja ziehen lassen, kannst auch nicht einfach sagen,

Nein Bitte Warte Und Bleib Ich Will Dass Du Bei Mir Bleibst.

Du sagst, Gut. Ich ruf an.

Und rufst nicht an.




KONSTANZE SEIFERT.