Juli 14, 2010


Selfmade truth — Brauntuch und die Massenmedien.

Troy Brauntuch bei Capitain Petzel.

Man kommt unmöglich drum herum, also besser die Sache gleich auf den Tisch bringen: Das Sprechen über Troy Brauntuchs Arbeiten ist immer auch ein Sprechen über Medienkultur. Denn so intrinsisch und ausschließlich ist sein Werk mit der Frage nach den Mechanismen und Verfahrensweisen der (Massen-)Medienkultur verbunden, dass man es anders, als eben über den Umweg der Medien kaum erschließen kann.

Warum?

Brauntuch ist Kind der so genannten „Pictures Generation“, die in den frühen siebziger Jahren in den Vereinigten Staaten sich formierte und deren Eigenheit es war, die immense Bilderflut, die damals allmählich sich anschickte über die Menschen sich zu ergießen – nämlich in Form von allgegenwärtiger Werbung, von Labels, Brandings, low-Budget Filmen, Billigprodukten, Konsum-Müll etc. – kritisch und im Zuge künstlerischer Auseinandersetzung zu hinterfragen. Vertreter der „Pictures Generation“ nahmen die Massenware „Bild“ in den Kunstkontext auf, und arbeiteten sich zuvorderst weniger an der faktischen Wirklichkeit, denn an dem von den Medien erschaffenen

Bilder- und Informationswust ab. Sie fragten: Was tut der mit uns? Wie beeinflussen Medienbilder unsere Wahrnehmung der Dinge? Medien, das sind, im weitesten Sinne, Bild und Film, Nachrichten, Zeitung, Kino, Werbung heute, natürlich, Internet. Kernelement, Lebenselixier und Daseinsberechtigung ist ihnen die Information. „Die Medien“, grobgesprochen ist das ein zu gleichen Teilen informationsverbreitender wie auch informationsgenerierender Prozess, welcher animiert von den Ideen Vollständigkeit und Flächendeckung ist, denn: Die Medien unterliegen dem Zwang der Steigerung. Je mehr, je schneller, je genauer, vollständiger und sensationeller eine Information, desto besser. Diesem Gesetz der Masse und Fülle haben sich Medienmacher und Konsument unterworfen – bereitwillig und gern, muss man sagen, denn Information ist ja immer, irgendwie, auch Unterhaltung.

Brauntuch?

Brauntuchs Bilder – sei es Malerei, Collage oder Foto – haben diese Mechanismen, die Logik und das Fluten der Massenmedien, innerviert und stemmen sich konsequent und in all ihren Fasern dagegen. Der Medienzirkus in seiner Gefährlichkeit – relativiert, nivelliert, degradiert und schaltet er Information doch oft gleich, oder lässt sie, nicht selten, zur Sensation verkommen –– ist ihnen wie ein negativer Untergrund, an dem sie sich mit aller Kraft abarbeiten. Fast so, als trügen sie die Gesetzmäßigkeiten der Massenmedien als Negativ in sich und entwickelten, in Form von Abgrenzung und Negation, daraus ihr ganz Eigenes. Fast so, als fänden die Bilder erst durch Aufnahme oder Integration ihres Gegenpols zu sich selbst, zu ihrem eigenen Positiv.

Die Stärke von Brauntuchs Bildern nun liegt darin, sich gegenüber dem beschriebenen Flutungsprozess der Medien komplett azyklisch zu verhalten. Sie machen auf formeller und kompositorischer Ebene einfach nicht mit. Sind stattdessen atonal und schwimmen auf einer ganz anderen Welle. Beispiel: Twitter und Newsticker füttern den Konsumenten fast in Echtzeit und andauernd mit leicht zu verdauenden Informationshäppchen. Je knapper die Information kommuniziert ist, desto besser. Oder: High resoluted television preist Schärfe, Klarheit und farbliche Intensität seines Fernsehbildes an. — Brauntuchs Malerei aber bewegt sich auf der Farbpalette vornehmlich im Schwarz, und weiß zudem das gesamte Spektrum der Grautöne meisterlich abzudecken. Der Betrachter, steht er diesen oftmals großen Gemälden gegenüber, erkennt auf den ersten Blick hin meist kaum etwas. Erst allmählich und langsam nur erschließen sich ihm Inhalt und Motiv des Bildes. Denn das Gesetz, dem Brauntuchs Arbeiten gehorchen, ist mitnichten das des unbedingten und bedingungslosen Zeigens, Aufdeckens, Sichtbarmachens. Brauntuch feiert die Reduktion. Er dissimuliert, verschleiert und versteckt. Beschränkt sich, in Sachen Information, konsequent aufs Nötigste. Und sind die Medien auch auf Fülle gepolt, Brauntuch orientiert sich am Minimum.

Im Diptychon Untitled, 2010 wird Brauntuchs Vorliebe für den Rückzug aus dem Offensichtlichen, für seine Manier, das Scheinwerferlicht quasi abzudimmen, nur zu deutlich: Im Schwarz und den dunklen, vage nur zu definierenden grau-Schattierungen der rechten Bildhälfte meint man Einen auszumachen, der sich mit der Digitalkamera gerade selbst ablichtet. Indiz für solche Vermutung ist die in Digitalschrift gehaltene Zahlenfolge in der linken oberen Bild-Ecke: Datum und Uhrzeit. Links daneben nahezu das gleiche Bild. Fast gleich in Perspektive und Ausschnitt, nur etwas dunkler die Farbgebung, nur – ist die Digitalzahlenfolge nicht mehr zu erkennen. Uhrzeit und Datum sind wie weggeätzt. Was einzig übrig bleibt, sind zusammenhangslose, bedeutungsferne Striche. Den informativen Wert des Bildes hebt Brauntuch durch diesen entscheidenden und dennoch minimalen Eingriff einfach auf. Er zersetzt Bildinhalt, Thema sowie Aussage des Bildes zur bloßen Form, er löst sie als Komponenten auf, macht aus ihnen – grau. Nichts Identifizierbares bleibt hiernach mehr übrig. Brauntuch macht das Bild leer und nichtig, entfremdet es, kurzerhand, seines Inhalts.

Dass das überhaupt geht, ist das eigentlich Empörende, ist ein gedanklicher Clou in Brauntuchs Werk. Untitled, 2010 bringt die intellektuelle Stoßrichtung, bringt das Ungeheure der Medien pointiert, gewitzt und in Form eines allereinfachsten Beispiels auf den Punkt: Die über die Medien verbreitete Information ist immer eine gemachte. Medien generieren ihre Informationen selbst; entscheiden, was wichtig und richtig ist. Ihre Wahrheiten, die sie mit Autorität zu verkünden sich ausnehmen, sind keine Wahrheiten an sich und aus sich heraus. Sondern oftmals solche, die dem Gesetz des Verkaufs, sowie dem der Schlagzeile und der Story, die News, Sensationen und Neuigkeitsimperativen unterliegen. Damit ist alle Medieninformation anfällig für Täuschung, Fehler, Machtmissbrauch. Dieses Spiel der produzierten Wahrheit spielt Brauntuch auf unterschiedlichste Art in seinem Werke durch.

Wie geht er vor?

Deutlich wird es vor allem anhand der kleineren Arbeiten, da der Gedanke hier unmittelbarer hervortreten kann. Collage-artig benutzt Brauntuch hierbei vornehmlich schwarz-weiß Fotografien aus Tageszeitungen. Er schneidet aus, kopiert, faltet, klebt, fügt Farbe hinzu, kurz: Er geht mit dem durch die Medien gelieferten Material um. Belebt die anonymen Pressebilder, indem er ihnen eine ganz eigentümliche Körperlichkeit aufzwingt. Denn abgegriffen sehen sie alle aus, alt und speckig. Sind gezeichnet von Handgriff und Gebrauchsspur. Regelrecht drückt Brauntuch den Pressebildern seinen eigenen Stempel, seine Sichtweise auf. Bedeutet: Brauntuch setzt in seinen Arbeiten das Spiel der Medienmaschinerie einfach fort. Auch er schafft neue und nicht minder beliebige Wahrheiten. Doch im Unterschied zu den Medien, verschleiert er diesen Tatbestand nicht, sondern thematisiert ihn geradezu, legt offen und macht deutlich.

Brauntuch zoomt und fokussiert auf Nebenschauplätze und erhebt sie, beliebig, zum Zentralthema des Bildes. Jedes Mal besticht dabei die von ihm gewählte Perspektive. Sind doch die Blickwinkel meist so, dass die vom Bild vermittelte Information niemals unmittelbar zugänglich, nie gleich verständlich ist. Immer kommt es auf Seiten des Betrachters zu einem Moment der Verzögerung, zu einem Stolpern ob seines Tastens im Dunklen. Solch sparsame Preisgabe an Inhalt und Information akkumuliert sich in Brauntuchs Arbeiten zur Entschleunigung. Die Bilder brauchen Zeit, bis sie verstanden, entschlüsselt, irgendwie eingeordnet sind. Es dauert, bis man versteht, dass die unklaren, dunklen Striche und Erhebungen vor unsauber weißem Grund nichts anderes, denn die Bäume im Hintergrund des Kriegsschauplatzes sind (White Light Study, 1979), den der Betrachter im Bild nebenan sieht. Ein Minidetail, eine Belanglosigkeit wird zum Hauptthema erhoben und abermals – es geht! Denn was als Wahrheit/Information/Wichtigkeit einer Nachricht er auslegt, obliegt ganz der Macht sowie der Perspektive des Gestalters, des Senders, des Zeitungsmachers, oder eben: des Künstlers. Nichts anderes denn Beliebigkeit und Fragilität dieser fabrizierten Wirklichkeit führt Brauntuch uns vor. Er zeigt, dass es an festem Boden mangelt.

Vor diesem Hintergrund auch nur sind die vielbesprochene Leere, die Mystik und das Unheimliche, auch das Ungenaue, welches all seinen Arbeiten gemein ist, zu verstehen. Denn immer lässt Brauntuch den Betrachter im Ungefähren. Nie weiß dieser woran er ist: Worauf, in welches Dunkel starren die beiden Soldaten in Untitled (Officers), 1983, die dem Betrachter nur ihre Rückenansicht zu Gesicht geben, die aber ansonsten nur schwarzer, leerer Raum umgibt? Wem gehört die Hand, die in Untitled (Hand), 1994, sich unwirklich dem Betrachter entgegenstreckt und um die herum es, wieder, nur schwarz ist? Man greift zu kurz, wenn man wie Rosetta Brooks in ihrem Aufsatz „Troy Brauntuch: Life After Dark“ (Parkett 1/1986) annimmt, Brauntuch hätte schlicht eine Vorliebe für Ambiguitäten und nicht zu verortende Räumlichkeiten. Das räumlich Ungenaue, die Leere, in der er seine Bildinhalte oft schwimmen lässt, ist nicht anders, als in Referenz zur Beliebigkeit zu denken, mit der die Medienbilder in ihrem Ringen um flächendeckende Information die faktische Wirklichkeit überzogen und sie durchfurcht haben. Denn wenn nach ökonomischen Maßstäben entschieden wird, welche Information als Headline taugt und welche als News, als Sensation, als brandneu und aktuell angepriesen wird, da lösen sich alle anderen, vielleicht relevanteren Gesichtspunkte einfach auf. Wo wichtig ist, was neu, frisch und originell ist, da bleibt nicht mehr viel zu sagen übrig. Schwarz, Leere, Ungenauigkeit und Mystik in Brauntuchs Werk sind Ausdruck des Bodenlosen, in welches Massenmedien und Bilderfluten uns treiben.


KONSTANZE SEIFERT.

Troy Brauntuch_Capitain Petzel

30. April bis 28. August 2010

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